Press release , Feb 13, 2023
Jahresbilanz 2022: Vom Krisenmanagement auf Transformationskurs
- Erdgas bleibt wichtige Säule bei der Energieversorgung
- Gasbranche konnte Versorgungsausfall abwehren und Lieferbeziehungen widerstandsfähiger gestalten
- Kehler: „Die Krise zwingt uns, Gas neu zu denken. Dadurch erhalten unsere Anstrengungen in Richtung Dekarbonisierung und Transformation gleichzeitig neuen Schub.“
Berlin, 13. Februar 2023. Die deutsche Gasbranche blickt mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine und dem Stopp russischer Gaslieferungen auf das herausforderndste Jahr ihrer jüngeren Geschichte zurück. Nach Ansicht des Branchenverbandes Zukunft Gas hat sich die Gaswirtschaft im vergangenen Jahr den Herausforderungen erfolgreich gestellt und die Versorgung im laufenden Winter sichergestellt. Für 2023 fordert Zukunft Gas-Vorstand Kehler, die hohe Geschwindigkeit beim Ausbau einer resilienten Infrastruktur beizubehalten und die Transformation der Branche hin zur Wasserstoffwirtschaft im Fokus zu behalten.
Auch unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und die daraus resultierende Energiekrise behält Erdgas 2022 seine bedeutende Rolle im deutschen Energiemix. Im vergangenen Jahr lieferte Erdgas 23,8 Prozent der in Deutschland verbrauchten Primärenergie. Damit ist der Anteil zwar im Vergleich zum Vorjahr (26,7 Prozent) zurückgegangen, Erdgas bleibt aber die zweitwichtigste Säule der Energieversorgung. Nur der Anteil von Mineral- und Heizöl ist mit 35,2 Prozent (2021: 31,8 Prozent) größer. Insgesamt ging der Erdgasverbrauch (minus 13,6 Prozent) deutlich stärker zurück als der Primärenergieverbrauch (minus 5 Prozent). Für Dr. Timm Kehler, Vorstand von Zukunft Gas, ist dies Ausdruck dafür, dass Wirtschaft und Gesellschaft die erforderlichen Einsparnisse durch die Energiekrise ernst genommen haben: „Gemeinsam haben wir uns dem Energieterrorismus von Wladimir Putin entgegengestellt. Aber wir können nicht übersehen: Der an vielen Stellen vorgenommene ‚fuel-switch‘ von Gas zu Kohle oder Öl ist keine gute Nachricht für das Klima. Gleichzeitig zwingt uns die Krise, Gas neu zu denken. Dadurch erhalten unsere Anstrengungen in Richtung Dekarbonisierung und Transformation einen neuen Schub.“
Mit Blick auf die Preissituation ist es nach Ansicht von Zukunft Gas noch zu früh für eine Entwarnung. „Die Eröffnung der schwimmenden LNG-Terminals an der deutschen Küste ist ein wichtiges Signal“, erläutert Timm Kehler. „Wir erwarten für dieses Jahr aber erst einmal nur eine Beruhigung an den Märkten.“ 2022 waren die Großhandelspreise für alle Energierohstoffe extrem volatil und sind in Summe stark gestiegen. So verteuerte sich Erdgas im Jahresmittel um 178 Prozent, Steinkohle um 170 Prozent und Erdöl um 44 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Aus Sicht des Gashandels konstatiert Gregor Pett, Chefanalyst bei Uniper mehr Blick auf die Langfristigkeit: „Unsere Handelspartner wollen Verträge über zehn oder mehr Jahre machen, wenn man hierauf keine Antwort hat, wird es schwierig werden die Versorgungssicherheit in Deutschland langfristig zu garantieren.“ Auch er begrüßt die Geschwindigkeit, mit der im vergangenen Jahr der Grundstein für eine deutsche LNG-Infrastruktur gelegt wurde. Dieses Tempo gelte es nun, beizubehalten: „Gut diversifizierte Lieferquellen, Speicher sowie Pipeline- und LNG-Transportinfrastruktur sind entscheidend, um Engpässe auch in Zukunft vermeiden zu können“, erklärt Pett.
Auch im Strombereich spielt Erdgas eine wichtige Rolle und steht für 13,3 Prozent Anteil an der Bruttostromerzeugung. Kehler begrüßt den im vergangenen Jahr erfolgten Ausbau der erneuerbaren Energien, der zu einem Erneuerbaren Anteil von 42,8 Prozent an der Bruttostromerzeugung (2021: 39,5 Prozent) führte. Aber er warnt auch: „Die steigende Menge an schwankender Kapazität durch die Erneuerbaren sorgt für große Herausforderungen. Nach unseren Berechnungen müssen wir bis 2030 eine Lücke von 15 Gigawatt schließen, um auch dann flexibel einsetzbare Energie liefern zu können, wenn die Erneuerbaren nicht zur Verfügung stehen. Wir begrüßen daher die Diskussion über ein neues Marktdesign, wie es das Bundeswirtschaftsministerium plant.“ Zukunft Gas hat im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen enervis einen Vorschlag für einen umfassenden Kapazitätsmarkt unterbreitet, in dem eine Vergütung auch für vorgehaltene Energiekapazitäten stattfindet. „Wir wollen einen Wettbewerb zwischen den Technologien um das Gut der Versorgungssicherheit. Dann kann der Markt über ein effizientes Technologieportfolie entscheiden“, so Kehler.
Für einen Wettbewerb zwischen den Technologien spricht sich Kehler auch im Wärmemarkt aus. Mit 980.000 Geräten wurde hier im vergangenen Jahr eine Rekordzahl installiert. Die Zahl der mit Gas betriebenen Heizsysteme sank zwar um 8 Prozent, mit knapp 600.000 Systemen wurden aber doppelt so viele eingebaut wie Wärmepumpen. „Gasheizungen bleiben marktbestimmend“, erklärt Kehler. „Knapp die Hälfte der Bundesbürger heizt mit Gas. Auch wenn der Absatzsprung mit mehr als 53 Prozent plus bei Wärmepumpen beeindruckend ist, dürfen wir die absoluten Zahlen nicht aus den Augen lassen und müssen vor allem den 41 Millionen Bundesbürgern, die heute mit Gas heizen, eine bezahlbare Perspektive anbieten.“ Wichtig, so Kehler, sei daher, dass wasserstofffähige Hybrid- und reine Wasserstofflösungen auch im Wärmemarkt ihre Berechtigung erhalten und vor allem die rechtlichen Rahmenbedingungen für einen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft endlich geschaffen werden.